Aussetzung der Insolvenzantragspflicht - Wichtige Hinweise vom Schuldnerberater
Die Corona-Krise trifft viele Unternehmen nach wie vor hart.
Um eine Welle von Pleiten zu vermeiden, wurde die Pflicht zum Insolvenzantrag in den letzten Monaten wiederholt ausgesetzt.
Zusammen mit den Finanzhilfen der Bundesregierung soll diese Aussetzung den Unternehmen ermöglichen, die hoffentlich letzte Durststrecke zu überstehen und einen Weg aus der Krise zu finden.
Die Insolvenzantragspflicht ist jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen ausgesetzt.
Was sind die Voraussetzungen und treffen diese auf Sie zu? Was gilt bei der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht?
Was sind die Folgen, wenn Sie den Insolvenzantrag nicht stellen?
Die Antwort auf diese und weitere Fragen, erklären wir Ihnen in diesem Beitrag.
Inhalt
- Wer kommt für die Antragspflicht überhaupt in Frage?
- Inwieweit ist die Insolvenzantragspflicht wegen Corona ausgesetzt?
- Wann ist nach wie vor Insolvenzantrag zu stellen?
- Inwieweit war die Insolvenzantragspflicht wegen Corona ausgesetzt?
- Was droht, wenn man keinen Insolvenzantrag stellt?
a. Strafbarkeit wegen Insolvenzverschleppung
b. Zivilrechtlicher Schadensersatz - Fazit
1. Wer kommt für die Antragspflicht überhaupt in Frage?
In diesen Tagen ist immer wieder davon zu hören, dass bei Insolvenz ein Insolvenzantrag gestellt werden muss. Diese Pflicht trifft allerdings fast nur Unternehmen und von diesen nicht einmal alle. Antragspflichtig sind grundsätzlich nur juristische Personen, also zB eine GmbH, eine AG oder ein eingetragener Verein. Auch die GmbH & Co. KG unterliegt der Antragspflicht.
Der Insolvenzantrag bleibt allerdings freiwillig für reine Personengesellschaften. Das sind insbesondere die OHG, die GbR und die KG, sofern zumindest einer der voll haftenden Gesellschafter eine natürliche Person ist.
Natürliche Personen sind generell nicht antragspflichtig, selbst wenn sie ein Gewerbe betreiben oder einen freien Beruf ausüben.
Achtung: Ein verspäteter Insolvenzantrag kann aber unter Umständen der Restschuldbefreiung in der Privatinsolvenz entgegenstehen.
Auch aus anderen Gründen kann es sich für Personengesellschaften und natürliche Personen anbieten, frühzeitig einen Insolvenzantrag zu stellen. Ohnehin ist oft damit zu rechnen, dass (öffentliche) Gläubiger zu einem bestimmten Zeitpunkt einen Insolvenzantrag einreichen.
2. Inwieweit ist die Insolvenzantragspflicht wegen Corona ausgesetzt?
Im Dezember haben sich Bund und Länder dazu entschlossen, auch für Januar 2021 die Insolvenzantragspflicht unter bestimmten Voraussetzungen auszusetzen. Diese Regelungen wurden aufgrund des Bund-Länder-Beschlusses vom 19.01.2021 bis Ende April dieses Jahres verlängert.
Allerdings gilt die Aussetzung nur in ganz bestimmten Fällen. Die Verlängerung dient nämlich dazu, die Unternehmen bis zur Auszahlung der November- und Dezember-Hilfen vor der Insolvenz zu bewahren. Deshalb ist die Insolvenzantragspflicht nur ausgesetzt, sofern
- ein Antrag auf November- oder Dezember-Hilfen bis zum 28.02.2021 gestellt wurde bzw. wird, oder
- ein solcher Antrag zulässig gewesen wäre, aber aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unterblieben ist.
Darüber hinaus soll die Aussetzung auch nur für Unternehmen gelten, die wegen der Corona-Krise in Schwierigkeiten geraten sind. Die Regierung will sicherstellen, dass ihre Maßnahmen keine Unternehmen unterstützen, die ohnehin wirtschaftlich nicht zu retten sind.
Deshalb gelten für die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht zusätzlich die folgenden Voraussetzungen:
- Die Unternehmen sind wegen der Corona-Krise in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Davon ist grundsätzlich auszugehen, wenn der Betrieb am 31.12.2019 noch zahlungsfähig war.
- Das Unternehmen hat tatsächlich einen Anspruch auf Auszahlung der Hilfen.
- Durch die November- und Dezember-Hilfen kann das Unternehmen voraussichtlich gerettet werden.
Ob die Aussetzung der Antragspflicht auch über den 30.04.2021 hinaus verlängert wird, steht noch nicht fest. Die Auszahlung der restlichen November- und Dezember-Hilfen sollte bis dahin zwar abgeschlossen sein.
Je nach Verlauf der Pandemie kann es jedoch sein, dass die Regierung neue Regelungen festlegt.
3. Wann ist nach wie vor Insolvenzantrag zu stellen?
Wenn die oben erklärten Voraussetzungen nicht vorliegen, gelten die gewöhnlichen Regeln zur Antragspflicht. Bestimmte Unternehmen müssen demnach gemäß § 15a Insolvenzordnung (InsO) einen Antrag stellen, wenn sie zahlungsunfähig oder überschuldet sind.
- Zahlungsfähigkeit bedeutet, dass das Unternehmen nicht mehr genügend liquide Mittel hat, um seine Zahlungsverpflichtungen zu begleichen. Das ist aber nicht schon der Fall, sobald für eine Rechnung das Geld fehlt. Die Gerichte gehen erst von einer Zahlungsunfähigkeit aus, wenn Unternehmen innerhalb der nächsten drei Wochen nicht in der Lage sein werden, 90 % ihrer Schulden abzubezahlen.
- Überschuldung bedeutet, dass das Vermögen des Schuldners nicht mehr seine Verbindlichkeiten deckt. In einer Bilanz werden Vermögen und Schulden des Unternehmens gegenübergestellt. Auch hier gibt es aber etwas Spielraum: Ein Unternehmen ist nur dann überschuldet, wenn die sogenannte Fortführungsprognose negativ ausfällt. Entscheidend für diese Frage ist, ob das Unternehmen voraussichtlich in den nächsten 12 Monate seine Zahlungspflichten erfüllen kann. Beruht die Überschuldung auf der Corona-Pandemie, sind nur die kommenden vier Monate ausschlaggebend.
Wenn das Unternehmen zahlungsunfähig oder überschuldet ist, müssen dessen Geschäftsleiter ohne schuldhaftes Zögern und allerspätestens nach drei Wochen einen Insolvenzantrag stellen.
Im Falle der Überschuldung sind maximal sechs Wochen Zeit. Kommt die Unternehmensleitung dem nicht nach, drohen weitreichende Konsequenzen (mehr dazu unter 4.).
4. Inwieweit war die Insolvenzantragspflicht wegen Corona ausgesetzt?
Auch im Jahr 2020 war die Insolvenzantragspflicht wegen Corona ausgesetzt. Insgesamt galten dabei großzügigere Regelungen als nach der jetzigen Gesetzeslage. Insbesondere war die Aussetzung nicht an die Beantragung von Corona-Hilfen gebunden.
Für das Jahr 2020 lassen sich zwei Phasen unterscheiden:
Im März 2020 wurde die erste Aussetzung der Insolvenzantragsplicht beschlossen. Diese Regelungen galten zunächst vom 01.03.2020 bis zum 30.09.2020. Unter den folgenden Voraussetzungen musste in diesem Zeitraum trotz Insolvenzreife kein Insolvenzantrag gestellt werden:
- Das Unternehmen war wegen der Pandemie insolvenzreif. Die Aussetzung der Antragspflicht soll nur Unternehmen unterstützen, die eigentlich tragfähige Geschäftsmodelle haben. Weil der Nachweis dieser Voraussetzung schwierig ist, kommt den Unternehmen hier eine Vermutung zugute: Es wird vermutet, dass die Insolvenzreife auf der Pandemie beruht, wenn das Unternehmen am 31.12.2019 noch zahlungsfähig war.
- Es gab zum Zeitpunkt der Antragspflicht noch Aussichten, die Zahlungsunfähigkeit beseitigen zu können. Der Begriff „Aussichten“ ist reichlich unbestimmt und es ist noch nicht klar, welche Anforderungen die Gerichte hieran stellen.
Die zweite Phase begann am 01.10.2020 und endete mit dem 31.12.2020. Im Großen und Ganzen wurden die ursprünglichen Regelungen für diesen Zeitraum verlängert.
Es gab jedoch eine entscheidende Neuerung in der zweiten Phase: Die Aussetzung galt nur, wenn die Insolvenzantragspflicht auf Überschuldung beruhte.
Wer also nach dem 01.10.2020 zahlungsunfähig war, musste wieder einen Insolvenzantrag stellen.
Diese Regelungen wurden durch die aktuellen Normen ersetzt. Allerdings ist die Gesetzeslage aus 2020 noch relevant, wenn Geschäftsleiter im Nachhinein wegen Insolvenzverschleppung in Haftung genommen werden oder sogar vor dem Strafgericht landen.
5. Was droht, wenn man keinen Insolvenzantrag stellt?
Wer trotz Antragspflicht keinen Insolvenzantrag stellt, muss mit Schadensersatzforderungen und evtl. sogar einer Strafanzeige rechnen. Das gleiche gilt, wenn der Antrag zu spät gestellt wird.
Daher gilt: Die Voraussetzungen der Aussetzung sind gewissenhaft zu prüfen! Im Zweifel sollte ein Anwalt für Insolvenzrecht hinzugezogen werden.
Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass einige Anforderungen in der Praxis nur schwer feststellbar sind.
a. Strafbarkeit wegen Insolvenzverschleppung
Wie oben erläutert, besteht nur für bestimmte Unternehmen eine Insolvenzantragspflicht. Nur bei diesen Unternehmen kommt eine Strafbarkeit wegen Verletzung der Insolvenzantragspflicht in Betracht.
Strafbar macht sich im Ernstfall das Führungsorgan der Gesellschaft (bzw. dessen Mitglieder), also insbesondere Geschäftsführer oder Vorstandsmitglieder.
Bei einem Strafverfahren wegen Insolvenzverschleppung droht eine Höchststrafe von drei Jahren im Gefängnis oder eine Geldstrafe. Wie lang die Zeit im Gefängnis bzw. wie hoch die Geldstrafe im Einzelfall ausfällt, hängt von der Schwere der Tat und anderen Umständen ab.
b. Zivilrechtlicher Schadensersatz
Meistens höher als die Geldstrafen aus dem Strafverfahren sind die zivilrechtlichen Schadensersatzforderungen. Wer eine Insolvenzverschleppung begangen hat, muss vor allem den Gläubigern für den entstandenen Schaden haften.
Das bedeutet in der Regel, dass der sogenannte Quotenschaden zu begleichen ist: Wenn durch die Insolvenzverschleppung die Insolvenzmasse geringer ausfällt, erhalten die Gläubiger im Insolvenzverfahren eine geringere Quote von ihrer Forderung.
Diese Differenz müssen der oder die Verantwortlichen dann ersetzen. Auch gegenüber der Gesellschaft selbst (also meist dem Insolvenzverwalter) bestehen im Ernstfall Ersatzpflichten.
Wer den Insolvenzantrag verpasst und danach noch Zahlungen aus dem Vermögen der Gesellschaft tätigt, muss diese unter bestimmten Voraussetzungen nach § 15b InsO zurückzahlen.
6. Fazit
Einige Unternehmen müssen grundsätzlich bei Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung einen Insolvenzantrag stellen.
Diese Insolvenzantragspflicht ist aktuell unter engen Voraussetzungen für den Zeitraum vom 01.01.2021 bis zum 30.04.2021 ausgesetzt.
Voraussetzung ist unter anderem, dass bis zum 28.02.2021 Antrag auf Corona-Hilfen gestellt wurde bzw. wird und dass der Betrag noch aussteht.
Im Jahr 2020 war die Antragspflicht ebenfalls zeitweise ausgesetzt. Es galten jedoch andere Voraussetzungen.
Wer keinen bzw. einen verspäteten Insolvenzantrag stellt, muss mit einer Anzeige wegen Insolvenzverschleppung und mit Schadensersatzforderungen rechnen.
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